Bei dem Instrument aus unserem Hörbeispiel handelt es sich um ein Kleinklavier von Grotrian-Steinweg (Braunschweig). Konkret ist das Klavier 110 cm hoch, daher sagt man auch, es handelt sich um ein Modell 110.
Wie schon in der ersten Aufnahme zu hören war, gab es im Klavier ein paar von außen betrachtet massive Probleme. Diese stellten sich dann bei genauerer Betrachtung als gar nicht so dramatisch heraus. Es waren einfach einige Kleinteile wie Spielsachen und ein Stift in die Mechanik gefallen, die dann mehrere Mechanikteile blockiert hatten.
Nachdem die ersten Probleme gelöst waren, zeigte sich das Klavier von seiner unangenehmen Seite: Die Spielart war außergewöhnlich unökonomisch. Die aufmerksamen Hörer der Audiobeispiele der Klavierstimmerei Praeludio haben bereits das so genannte Trommeln analysiert. Dabei schlagen die Klavierhämmer mehrfach und vor allem beliebig gegen die Saiten. Mit anderen Worten: Dieses Phänomen ist das Gegenteil der erwünschten Spielkontrolle. Die Kraft der Finger als Impulsgeber für die Spielweise ließ sich kaum dosieren. Weder für Anfänger und schon gar nicht für Kinder geeignet, um an einem solchen Instrument Spielfreude als Basis für ein nachhaltiges Musizieren entwickeln zu können. Offensichtlich wurde ein Teil der Fingerkraft durch einen falsch eingestellten Teil des Ablaufs der ineinander greifenden Mechanikteile verbraucht. Die Zielrichtung des Krafteinsatzes kam nicht bei der Dosierung der Lautstärke an. Das verführt dazu, dass man grundsätzlich etwas stärker anschlägt, damit auch alle Töne hörbar sind. Das ist quasi die Minimalleistung. Dafür nimmt man in Kauf, dass ein Pianissimo als der besondere Ausdruck einer gefühlvollen Spielart nicht möglich ist. Bei der Analyse fiel schon auf, dass die Tasten zu wenig Tiefgang haben. Das heißt, die Taste hat zu wenig Weg, um die Aufgaben der am Ende der Taste ansetzenden Mechanik vollständig erfüllen zu können.
Doch damit nicht genug, musste ich tiefer in das Innenleben eintauchen, um auch an alle relevanten Stellen zu gelangen. Daher wurde das Klavier ziemlich weit zerlegt, wie sie den Bildern entnehmen können.
Zum Beispiel kommt man erst so an die Rückseite der Mechanik, um dort die Schrauben der Mechanik nachziehen zu können, die beim zweiten Hörbeispiel die klappernden Nebengeräusche erzeugen.
Nachdem alle Auffälligkeiten behoben werden konnte, erfolgt wieder der Zusammenbau. Stück für Stück bekommt das Piano das uns bekannte Aussehen zurück.
Bei der Gelegenheit des genauen Hinsehens hat uns das doch recht niedrige Klavier zwei Geheimnisse seines guten Klangs vor allem im Bass verraten. Zum einen findet man am Bass-Steg die konstruktive Optimierung des Klangs mittels einer so genannten Bass-Brücke. Diese gibt den Bass-Saiten möglichst viel Länge, verlagert aber die Auflage des Stegs mehr in die Mitte des Resonanzbodens, wo dieser besser schwingen kann als am Rand.
Bei Klavieren sieht man sehr selten eine Stegbrücke am zweiten Steg. Bei unserem Instrument ist so eine Rarität zu sehen. Das zeigt, dass es noch aus einer Zeit stammt, in der sich die Klavierbauer des Handicaps des Kleinklaviers bewusst waren, und sich daher um Optimierungen des Klangs in dem kleineren Klangkörper mit den damit verbundenen kürzeren Saiten und einer eben auf ein Minimum an Hebelwirkung reduzierten Klaviermechanik zu bemühen, wo das nur möglich war. Derartig minimierte Klaviermechaniken erlauben auch kein Optimum an wünschenswerten Einstellungen. Oftmals muss man tatsächlich mit dem oben beschriebenen Minimum zufrieden sein, wenn also tatsächlich alle Töne erklingen. Wie sich die Qualität eines Spielwerks ausdrückt, zeigt beeindruckend die folgende Feststellung:
Das Dynamikspektrum der Klaviatur geht von ganz leise bis ganz laut. Leise können jedoch nur die qualitativ hochwertigen Spielwerke. Laut können dagegen alle!
Gestimmt wurde das Kleinklavier auf der vorhandenen Tonhöhe von 421 Hertz in Rücksprache mit den Klavierbesitzern. Zum einen wird das Klavier alleine gespielt. Dann hat man die freie Wahl. Zum anderen hat der tiefere Kammerton den Vorteil, dass man sich beim Klavierspiel besser entspannen kann.